Weltladen Schwerin

Eine „Teestunde“ mit … Valérie Kengne Mboubou

Sonntag, 24.11.2024, 16 bis 17 Uhr, Internationales Haus Schwerin (Lagekarte), Ziegenmarkt 4, 19055 Schwerin

Menschen mit internationaler Geschichte erzählen bei der „Teestunde“ von ihrem Herkunftsland. Worin unterscheidet es sich von Deutschland? Was eint, was verbindet die Länder? Wie wird die Lebenswirklichkeit (Gesundheits-, Bildungs-, Wirtschaftssystem, Reichtum/Armut, Gleichstellung, …) früher und heute in der alten Heimat eingeschätzt. Welche Erwartungen gibt es an die neue Heimat Deutschland? Es sind bewusst subjektiv gehaltene Ansichten eines Menschen, die uns einen Blick über den eigenen Tellerrand ermöglichen.

Bei der mittlerweile 4. Teestunde am 24.11.2024 war Valérie Kengne Mboubou zu Gast. Die studierte Diplom-Energiewirtin ist in Kamerun geboren und aufgewachsen und lebt seit 14 Jahren in Schwerin. Sie arbeitet als Energiedaten-Managerin und ist u.a. als Aktivistin in der Antirassismusarbeit, sowie als Moderatorin und Dolmetscherin tätig.


Der Raum im Internationalen Haus am Ziegenmarkt war sehr gut gefüllt. 27 Menschen wollten Valérie Kengne Mboubou zuhören und ihr Fragen stellen. Und dies taten sie reichlich und sehr interessiert.

Ralf Göttlicher, Bildungsreferent des Weltladen Schwerins, startete mit der Frage, mit welchen Sprachen Mboubou aufwuchs. Die Antwort: „Mit Französisch und Englisch. Wir nennen diese Sprachen Kolonialsprachen.“ Kamerun wurde vom Deutschen Reich von 1884 bis 1919 als Kolonie angesehen. Nach dem 1. Weltkrieg wurde es zwischen den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien aufgeteilt. 1960 erlangte Kamerun dann die Unabhängigkeit.

Zumindest auf dem Papier, wie Mboubou betonte. Kamerun befinde sich aktuell, wie eigentlich viele Staaten Afrikas, im Zeitalter des Neokolonialismus. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich anschaue, in wessen Besitz die Industriebetriebe wären und wer seit 42 Jahren Präsident von „Frankreichs Gnaden“ sei. Ein Kameruner, der unter den Zuhörenden war, ergänzte, dass man kein Geld direkt nach Kamerun überweisen könne. Dies ging nur über französische Banken. Und der Kurs der örtlichen Währung sei fest an den Euro gebunden. Bezeichnenderweise heiße die Währung in Kamerun auch CFA-Franc, nach der alten französischen Währung. Eine Entkolonialisierung der CFA-Staaten habe eigentlich nie stattgefunden, der (Neo-)Kolonialismus sei dadurch weiter in Kraft. Mehr zur Kritik am CFA-Franc auf Wikipedia.

Mboubou sprach davon, dass die „Probleme“ in Deutschland eher „Herausforderungen“ seien. Wirklich Probleme gäbe es in Kamerun. Frage man Kinder in Deutschland, was sie einmal werden wollen, so fällt ihnen gleich Lokomotivführerin, Feuerwehrmann, Polizistin, Fußballer u.ä. ein. Frage man Kinder in Kamerun, so würden die Kinder die Frage nicht verstehen. Viele Kinder in diesem zentralafrikanischen Land hätten keine Vorstellung von Zukunft, da sie mit der Bewältigung des aktuellen Tages beschäftigt seien.

Einem Anwesenden drängte sich dann die Frage auf, was sich denn in Kamerun ändern müsse. Mboubou meinte daraufhin, die Menschen müssten sich zusammenschließen und aufbegehren. Schließlich gehe alle Kraft vom Volke aus. Allerdings erlebe sie bei ihren regelmäßigen Kamerunbesuchen Lethargie und Resignation. Die meisten Menschen seien damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern und hätten keinerlei Kraft, über den Tag hinauszuschauen. Außerdem würde Kamerun seit 42 Jahren autoritär geführt und wirkliche Meinungsfreiheit gäbe es nicht (siehe hierzu Amnesty-Report 2022).

Ein Togoer und ein Kameruner, die unter den Zuhörenden waren, stimmten Mboubou zu und untermauerten deren Sicht mit eigenen Beispielen.

Sie sähe es kritisch, so Mboubou, dass alle, die das Land verlassen könnten, dies auch tun. Die meisten Studierenden mit afrikanischer Herkunft in Deutschland kämen aus Kamerun. Fachkräfte fehlten so im eigenen Land. Mboubous Onkel hatte Hüftprobleme und die Familie ging davon aus, dass er den Rest seines Lebens damit leben müsse. Es war jenseits der Vorstellungskraft, dass hier irgendetwas zu machen sei. Letztlich wurde ihr Onkel in Frankreich operiert und konnte anschließend wieder „springen wie eine Gazelle“. Einer der Ärzte in Frankreich, der Neurologe, war ein Kameruner.

Es war ein insgesamt recht resignierter Blick auf das Herkunftsland, welches Mboubou zeichnete. Natürlich gäbe es auch riesigen Reichtum in Kamerun, den sie so noch nicht in Europa gesehen hätte. Aber dies wären nur sehr wenige. Der Großteil der Bevölkerung lebe in Armut und ohne Zukunftsvisionen.

Ein hoffnungsvolles Beispiel brachte am Ende dann noch Ralf Göttlicher, indem er auf die kamerunische Kakao-Kooperative KONAFCOOP verwies, die seit 2010 in den Fairen Handel liefere und bei sich vor Ort für Verbesserungen und Empowerment der Menschen sorge. Hier mache der Faire Handel, der nicht über den Staat, sondern direkt mit den Produzent*innen erfolge, schon jetzt einen Unterschied für die Menschen dort.

Alle Fotos: Annika Rhinow

Nach einer Stunde Gespräch konnten Produkte von KONAFCOOP aus dem Weltladen Schwerin sowie traditionelles Essen aus Kamerun, welches Mboubou mitbrachte, verkostet werden. Bei fair gehandeltem Kaffee und Tee wurde sich noch lange intensiv in kleineren Gruppen über das Gehörte ausgetauscht.

Für den November 2025 ist die nächste Teestunde geplant.

Förderer

Eine Veranstaltung im Rahmen des Bildungsprojektes der Aktionsgruppe Eine Welt e.V. Schwerin / Weltladen Schwerin gefördert durch Engagement Global mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, aus Mitteln von „Bingo – Die Umweltlotterie“ über die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung und durch den Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche.


Im Rahmen von

„weltwechsel“ ist eine jährlich im November stattfindende MV-weite Veranstaltungsreihe zu globalen Themen. In 2024 steht die Reihe unter dem Motto „Mensch Macht Klima“. Filme, Lesungen, Diskussionen und Konzerte überall in Mecklenburg-Vorpommern, organisiert zum großen Teil von Ehrenamtlichen, zeigen Wege in eine (klima)gerechtere Welt auf.

Das Eine-Welt-Landesnetzwerk MV koordiniert diese jährliche Veranstaltungsreihe. Finanziert wird sie von Engagement Global, der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung, dem Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche und dem Land Mecklenburg-Vorpommern. weltwechsel findet jedes Jahr im November statt.

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